Kerikeri

2. Dezember. Wir müssen uns das Datum immer wieder bewusst sagen, bei Temperaturen über 20° neigt man etwas dazu, die Jahreszeit zu vergessen. Nach dem Frühstück rufe ich bei meinen Eltern an, um ihnen einen schönen ersten Advent zu wünschen. Meine Mutter meint, der sei ja erst morgen früh, nur ist es hier schon morgen früh! Daheim sind sie eingeschneit, es ist frostig. Wir freuen uns über einen weiteren Tag mit schönem Wetter und beschließen, diesmal in die andere Richtung zu fahren, nach Kerikeri in die Bay of Islands.

Kerikeri ist so ein typischer langgestreckter Ort mit einer Hauptstraßenkreuzung und Geschäften und dann weitschweifiges Wohngelände. Das „historische Zentrum“ liegt etwas abseits an der Bucht. Ich setze den Begriff hier mal in Anführungszeichen, denn außer einem bemerkenswerten alten Steingebäude, der alten Missionsstation, und einer Handvoll alter Holzbauten ist nicht viel zu sehen – wir laufen das inklusive dem Abstecher zum Maori Pa alles in einer halben Stunde ab. Für sehenswerter halte ich ein nachgebautes Maoridorf mit u. a. einigen Wohnhütten und einem großen Kanu.

Um die Zeit noch zu nutzen wandern wir einen Track am Kerikeri River entlang bis zu einem großen Wasserfall. Der Weg ist wiederum wunderschön, wir fühlen uns zeitweise wie in einem Zauberwald.

Auf dem Rückweg fahren wir eine größere Schleife ins Inland zu einem Kauriwald. Gernot lotst mich über kilometerlange Schotterpisten mitten durch den Busch. Das Auto sieht aus – aber es lohnt sich. Im Manginangina Scenic Reserve finden wir einen 390 m langen Rundweg durch altes Waldgebiet, auf dem wir einige der nur noch wenig übriggebliebenen Kauribäume sehen können. Wir sind tief beeindruckt. Die Kauris wachsen weit in den Himmel, wir stehen in einer Kathedrale aus Bäumen.

Ohne Rücksicht auf dieses wertvolle Gut wurden viele der Kauribäume für die Holzindustrie gefällt und um Farmland zu schaffen. Andere fielen den Gumdiggern zum Opfer, nachdem das Graben nach Gummi immer mühseliger wurde. Wenn die Kauririnde verletzt wird produziert der Baum zum Schutz das wertvolle Harz. Die Gumdigger sind einfach den Baum entlang nach oben geklettert und haben überall Löcher hineingeschlagen. Das hat die Bäume dann aber letztlich so geschwächt, dass sie irgendwann umstürzten.

Außer uns ist wieder mal niemand hier, und wir nutzen die Gelegenheit, einfach nur stillzusitzen und zu lauschen. Außer einem New Zealand Robin, der sich in aller Ruhe in der Sonne putzt, sehen wir aber keinen Vogel aus der Nähe.

Was wir auch nicht sehen, ist eines der verhassten Possums (dt. Kusu). Wie so häufig werden auch hier Fallen aufgestellt, um dieser Plage Herr zu werden. Obwohl ihre Zahl mittlerweile auf 70 Millionen (!) geschätzt wird, bekommt man ein Exemplar eigentlich nur zu sehen, wenn es plattgefahren als „roadkill“ auf dem Asphalt klebt. Ursprünglich wurden diese Beuteltiere zur Fellgewinnung eingeführt, aber dieses Projekt ist dann völlig aus dem Ruder gelaufen. Tatsächlich wird immer noch Possumfell mit Wolle zusammengesponnen, um das Endergebnis weicher zu machen.

Am Abend heißt es packen, unsere Zeit hier in Cooper’s Beach neigt sich dem Ende entgegen. Wir verlassen unser Ferienhaus mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir haben uns wirklich sehr wohl gefühlt hier, mal abgesehen von den Problemen mit der Wasserversorgung und den Ameisen, die sich in der Küche sofort auf jeden Krümel stürzen, den man unvorsichtigerweise nicht wegwischt.

Gestern

Nächster Tag