Farewell Spit

Die Golden Bay läuft in einer etwa 30km langen, geschwungenen Sandbank aus, dem Farewell Spit. Der Bereich ist als Naturreservat ausgewiesen und öffentlich Wanderern zugänglich bis zu einer 4km-Grenze. In unserem Reiseführer hatten wir einen Hinweis auf geführte Touren gefunden und von Masterton aus online eine davon für heute gebucht. Die Touren sind abhängig von den Tidezeiten, der Wasserstand von Ebbe und Flut ist hier unglaublich unterschiedlich. Ganze Lagunen, sogenannte Inlets, und ein großer Teil der Bucht fallen bei Ebbe komplett trocken. Die Wettervorhersage für heute war vielversprechend und bestätigt sich so: Nur Kilometer weiter die Bucht hinunter hängen die Wolken in den Bergen, die Landzunge selber liegt im hellen Sonnenschein.

Wir verbringen den Tag mit „Farewell Spit Nature Experience“ und sind pünktlich noch 20 Minuten vor der heutigen Abfahrtszeit am Old School Café in Pakawau. Außer uns sind keine Touristen da. Normalerweise findet die Tour für nur zwei zahlende Gäste nicht statt. Wir haben Glück, dass ein neuer Fahrer eingearbeitet werden muss und man so zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Alan, der Anfänger, scheint schon eine Weile über das Rentenalter hinaus zu sein, stellt sich uns aber als „Rookie“ vor. Der eigentliche Guide ist Marty, der die Gegend wie seine Westentasche kennt. Also ziehen wir zu viert los in einem Bus, mit dem auch 20 Personen befördert werden können. Gelegentlich halten wir an, damit Marty Alan etwas erklären kann, dafür können Gernot und ich dann wieder individuelle Wünsche äußern, falls wir an einer besonderen Stelle mal anhalten und aussteigen möchten.

Die Tour dauert etwa sechs Stunden und bietet uns ein unvergessliches Erlebnis. Wir stehen an der nördlichsten Stelle der Südinsel, erfahren viel über die Geschichte der Gegend, über Walstrandungen, über die Vögel… Am Fossil Point findet man erfahrungsgemäß immer einige der New Zealand Fur Seals, und Marty bringt uns ganz dicht heran. Die Pelzrobben sehen so harmlos und nett aus, man möchte ihnen glatt einen Ball zum Spielen zuwerfen. Als ich mich aber vorsichtig einem dösenden Tier nähere faucht es mich warnend an und zeigt mir seine beeindruckenden Zähne.

Auf den Felsen sitzen Austernfischer (Oyster Catcher) und zetern, wenn wir ihren Eiern zu nahe kommen; die legen die einfach irgendwo in den Sand, wie soll man denn wissen, wo da vielleicht gerade ein Gelege ist? Einem Vogel kommen wir zu dicht, er startet einen Sturzflug dicht über unsere Köpfe.

Wir fahren an der Nordseite der Landzunge die ganze Strecke bis zur Spitze, sehen unterwegs verschiedene Arten von Austernfischern und Kormoranen, diverse Möwenarten und anderen Strandläufern und immer wieder Robben. Heute liegen einige tote Haie am Strand, wir können nur vermuten, ob sie sich in Netzen von Fischerbooten verheddert haben oder ob vielleicht doch ein Orca der Täter war. Am Ende von Farewell Spit liegt eine Tölpelkolonie, die wir uns aber jetzt während der Brutzeit nur aus der Ferne anschauen. Einige der imposanten Gannets fliegen über uns hinweg zur Fischjagd auf das Meer hinaus.

Am alten Leuchtturm machen wir Rast, Marty serviert uns Tee und Kaffee. Bis das Leuchtsignal automatisiert wurde haben hier tatsächlich Menschen gelebt, die Leuchtturmwärter mit ihren Familien. Es ist ja nur eine langgezogene Sanddüne – um den Bewohnern eine einigermaßen freundliche Umgebung zu bieten, hat man mit unzähligen Pferdeladungen Muttererde in großen Säcken hergebracht. Vom anderen Ende der Bucht kann man die Stelle genau erkennen, dort erhebt sich jetzt ein kleiner Fleck mit Bäumen und Busch am Horizont.

Auf der Rückfahrt halten wir noch an einer hohen Düne und stapfen für einen letzten herrlichen Rundblick bis ganz hinauf. Den Weg nach unten nehmen wir an der steilsten Stelle und folgen dem Beispiel von Alan und Marty, die sich einfach durch den Sand nach unten tragen lassen – „let your inner child out!“. Der Tag wird uns immer im Gedächtnis bleiben.

Wieso beißen die Sandflies immer nur mich und nicht Gernot?

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