Kiwi Abenteuer

Der Tag hat Programm! Unsere Vermieterin hat uns ein Komplettpaket gebucht, mit einer zweistündigen Bootsfahrt auf der Lagune am Vormittag und einer Kiwitour in der abendlichen Dämmerung bei dem aktuellen Kiwiexperten schlechthin, Ian Cooper.

Noch spielt das Wetter mit, es ist zwar bewölkt, aber immerhin leuchtet hin und wieder der blaue Himmel durch die Wolkendecke. Außer uns ist noch ein Paar aus Coventry/UK mit im Boot. Es sind zwei ruhige Stunden mit langsamer Fahrt über die Lagune und ausgiebigen Vogelbeobachtungen. Nennenswert sind besonders die weißen Reiher, von dieser Sorte gibt es in ganz Neuseeland nur geschätzte 150 Exemplare.

Den Nachmittag verbringen wir am Strand. Unsere Vermieterin hatte uns den Tip gegeben, dort nach den Doterels Ausschau zu halten. Wenn diese Strandläufer still sitzen, hat man kaum eine Chance, so gut sind sie zwischen Treibgut und Kieseln getarnt. Aber: Mama und Papa sind momentan sehr nervös, weil ja der Nachwuchs schon geschlüpft ist und beschützt werden muss. Irgendwo zwischen den beiden Altvögeln genau hinschauen, da stelzen die Küken schon auf großen Füßen durch den Sand.

Um 20 Uhr sind wir verabredet zur Kiwitour. 10 vor 8 betreten wir das Büro, genau in dem Moment setzt der Regen ein. Ein Mann aus Irland und ein junges holländisches Pärchen haben ebenfalls für heute gebucht. Normalerweise fällt die Tour bei Regen buchstäblich ins Wasser, da es aber in Neuseeland auch jeden Moment wieder aufhören kann zu regnen beschließt Paul, unser Guide für heute Abend, zunächst mal zum Startpunkt der Tour zu fahren und dann weiterzusehen. Mit Moskitonetzen, Taschenlampen und Funkgeräten ausgestattet geht es nach einer ersten Einweisung los.

Am Parkplatz angekommen ist der Regen in leichtes Nieseln übergegangen. Alle sind willens, die Tour durchzuziehen. Das Problem ist nicht die Nässe, sondern dass die fallenden Tropfen es schwierig machen, die Kiwis zu hören, wenn sie durchs Unterholz stapfen. Nach weiteren Anweisungen gehen wir den Track hinauf in den Regenwald. Mit Hilfe eines Ortungsgerätes kann Paul relativ genau bestimmen, wo die Vögel sich aufhalten. Er verteilt einige von uns in Abständen von 10 Metern den Track entlang, die anderen müssen mit ihm auf die andere Seite des Geländes, falls die Vögel sich entschließen, in diese Richtung zu laufen. Kiwis sind nachtaktiv, die kommen erst so um 9 Uhr herum aus ihren Schlafnestern, recken und strecken sich und machen sich dann auf die Suche nach Futter. Wohin sie sich wenden, kann man halt vorher nicht wissen, daher müssen wir das Gelände großflächig abdecken.

Um es kurz zu machen: Geschlagene dreieinhalb Stunden irren wir bergauf, bergab, hin und her durch den neu einsetzenden Regen und irgendwann völlige Dunkelheit durch den Busch. Manchmal verteilen wir uns so wie anfangs, manchmal müssen wir alle ganz eng beieinander stehen bleiben, wenn ein Kiwi ganz nah ist. Kiwis können sehr gut hören, alles muss möglichst leise vonstatten gehen. Plötzlich erscheint einem jedes Geräusch ultralaut – die quietschenden Schuhe, ein Räuspern. Ich stolpere zweimal heftig, da ich ja nicht sehen kann, wo ich hintrete. Ist mir jedes Mal sehr peinlich, ich kann mir das anschließende Fluchen darüber gerade noch verkneifen.

Moskitos können auch sehr laut sein, besonders direkt vorm Ohr. Zum Glück hilft mir mein neues „piss off“-Parfüm, gestochen werde ich nicht. Nur erschwert das Surren zusätzlich das Lauschen auf Kiwigeräusche. Da wir ja keine Experten sind ist man natürlich unsicher: Lief da jetzt etwas durchs Unterholz oder hat der Wind nur die Tropfen von den Blättern geschüttelt? Zwei oder drei Moreporks müssen ganz in der Nähe sein, der Ruf ist unverwechselbar. Gelegentlich hören wir aber auch einen der Kiwis laut rufen. Nach drei Stunden wissen wir, worauf es ankommt. Ich bin sicher, da sitzt ein Kiwi direkt vor mir unter den Farnen. Außerdem weiß ich inzwischen, unseren Guide zu „lesen“ – Paul wird immer aufgeregter.

Dann zeigt sich endlich das Kiwiweibchen. Es tritt tatsächlich vor meinen Füßen auf den Track hinaus und läuft eine ganze Strecke an uns vorbei. Meine Güte, sind die riesig, und wie die sich bewegen! Alle sind happy, ein tolles Gefühl, wir haben es geschafft. Nur Paul reicht das noch nicht, er schätzt es hoch ein, was wir alles ohne Murren mitgemacht haben (normalerweise geht es viel schneller und einfacher): „You guys deserve a lot more kiwi!“ Wir schleichen schnellst- und leisestmöglich dem Weibchen hinterher, es läuft wieder in Richtung Parkplatz. Und ruft. Und plötzlich ist da ein weiterer Kiwi gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite, ein Paul bisher unbekanntes Männchen. Was für ein Glück: Gleich zwei dieser wundersamen Geschöpfe auf ein Mal! Das hatte selbst der Experte bisher nur selten erlebt.

Wir sind alle pitschnass, aber überglücklich. Richtige, echte Kiwis in freier Wildbahn, ein überwältigendes Gefühl und ein toller Abschluss für dieses Abenteuer. Und wenn man dann noch bedenkt, dass es von dieser Sorte Kiwi, einem Rowi, nur überhaupt knapp 400 Exemplare gibt, ist der Sichtungserfolg noch höher zu bewerten. Wer gewillt ist, sich mit Ian oder Paul auf diese Tour zu begeben und genau die Anweisungen zu befolgen, hier der Link.

Was wäre denn auch eine Neuseelandreise ohne Kiwivögel in ihrer natürlichen Umgebung?

Reiseleiter

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