Cape Reinga

Wie uns Richard geraten hat, brechen wir zeitig auf zum äußersten Nordzipfel Neuseelands, um vor den einfallenden Busladungen an Touristen den berühmten Leuchtturm am Cap Reinga zu besuchen. Heute ist das Wetter sehr viel besser, fast kitschig steht noch der Mond am rosa Morgenhimmel und scheint in unser Schlafzimmer.

Für die Strecke in den Norden benötigen wir 1 ¾ Stunde. Außer uns sind nur zwei, drei andere Autos auf dem Parkplatz. Ein junger Mann kommt uns den Weg vom Leuchtturm hoch entgegen. Gutgelaunt rufe ich ihm ein „Guten Morgen“ zu, genauso deutsch antwortet er grinsend. Gut, dass wir unsere Jacken dabei haben, der Wind ist hier am Zusammenprall von tasmanischer See und Pazifik enorm. Wir können schöne Fotos machen vom Leuchtturm und dem berühmten Wegweiser mit den vielen Schildern in alle Richtungen der Welt.

Auf dem Weg zurück kommen sie dann, die Busse. Wir sind froh, dass wir uns so früh aus dem Bett geschwungen haben. Irgendwo auf halber Strecke zurück folgen wir einem Wegweiser rechts ab in Richtung „Ninety Mile Beach – 10 km“. Nach zwei Kilometern geht die befestigte Straße in eine Schotterpiste über. Außer uns fährt hier niemand. Wir schaffen es tatsächlich durch die Dünen bis zum Strand – Wahnsinn, was für eine Aussicht! Nach Norden und Süden unendliche Wellen und Sandstrände. Und nur wir zwei ganz alleine! Wir finden ein windgeschütztes Fleckchen und machen Picknick. Ja gut, ganz windgeschützt geht hier gar nicht, es knirscht zwischen den Zähnen.

Einen weiteren Zwischenhalt legen wir ein beim „Gumdiggers Forest“. Durch den hier inzwischen gewachsenen Manukawald führen verschiedene Wege in die industrielle Geschichte der Gegend. Mit dem Sammeln von Gummi wurde bereits um 1814 begonnen, von 1870 bis 1920 war das Graben nach Gummi der Haupterwerbszweig der Siedler im Norden. Mit dem ersten Weltkrieg verlor der Rohstoff an Bedeutung.

Das Freilichtmuseum bietet einen informativen Überblick über diesen Teil der Geschichte Neuseelands, u. a. mit dem Nachbau eines kleinen „gumdigger“ Dorfes und Videovorführungen. Man sollte die Wege auf keinen Fall verlassen, denn überall unter dem Unterholz liegen versteckt noch immer die Löcher der Grabungen. Erst im letzten Jahr hat man in diesem Sumpfgebiet einen riesigen Kauristamm ausgegraben, der ebenfalls zu besichtigen ist. Wir sind erstaunt, dass außer uns keine Besucher da sind. Es ist eine unheimliche Stimmung, der Wind lässt die hohen, schlanken Manukabäume aneinanderreiben, um uns herum raschelt es überall im Unterholz.

Das Kauri Kingdom in Anuwei sparen wir uns für heute, wir haben ja noch etwas Zeit in Cooper’s Beach. Davon abgesehen stehen uns schon wieder zu viele Busse vor dem Gebäude.

Neue Vogelsichtungen des Tages: New Zealand Pipit, Yellowhammer und White-backed Magpie. Außerdem haben wir Fasane und einen Truthahn gesehen. Die sind doch bestimmt nicht endemisch! Mit Hilfe eines Vogelführers, den wir auf Tiritiri erstanden haben, können wir jetzt den Common Myna identifizieren, ein Einwanderer aus Asien, der die ganze Strecke entlang immer wieder am Straßenrand zu sehen ist. In der Nähe der Straße kreisen gelegentlich Australasian Harrier auf der Suche nach Beute.

In der Dunkelheit versuchen wir noch, die heimische Eule anzulocken, die Morepork oder „Ruru“ (auf Maori). Über der Terrasse ist ein kleiner Scheinwerfer direkt auf den alten Pohutukawa vor dem Haus gerichtet. Wir hoffen, dass die Ruru sich die vom Licht angelockten Insekten fängt. Das Bett in unserem Schlafzimmer ist der ideale Beobachtungsposten, von hier haben wir die beste Aussicht auf den Baum. Das Bett? Es kommt, wie es kommen muss. Fünf Minuten später liegen wir noch mit der Brille auf der Nase vollständig angezogen auf dem Bett und sind tief und fest eingeschlafen. Ob die Morepork gekommen ist? Keine Ahnung. Die Motten seien ihr gegönnt.

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